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Trauma: Geschichte, Biologie und Genesung

Holistiche Behandlung für ein komplexes Syndrom

Dr. Gwen Bingle
|
6.30.2025

Haben Sie Teil 3 unserer „Neuromentale Gesundheit“-Reihe verpasst? „Trauma: eine Taxonomie“ verpasst? Lesen Sie hier weiter.

Warum uns Stress und Trauma bei epiAge überhaupt beschäftigen? Weil schlechte neuromentale Gesundheit uns bis in den Kern unserer Zellen altern lässt. Tatsächlich wirkt Trauma nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern kann in krasseren Fällen über mehreren Generationen epigenetisch nachwirken.  

Zwei Trauma-Geschichten

Geschichte 1

Ben ist gerade aus der Schule rausgeflogen. Meistens findet man ihn zerzaust und besoffen auf einer Parkbank liegen. Seine Noten begannen zu leiden, nachdem er nachts immer wieder Flashbacks aus seiner sehr dysfunktionalen Kindheit bekommen hatte. Er wachte schreiend und schweißgebadet auf. In seiner Benommenheit stieß er sogar einmal seine Freundin aus dem Bett, weil er dachte, sie wolle ihn erwürgen. Das gab ihr endlich den Vorwand, ihn zu verlassen, nach einer Reihe an seltsamen Vorfällen. Jetzt scheint Ben verloren zu sein, und selbst seine alten Freunde sind über sein unberechenbares Verhalten irritiert. Sie verstehen nicht, warum so ein netter Kerl sich plötzlich so auffällig verhält.

Geschichte 2

Nina ist Rettungssanitäterin. Das war schon immer ihr Traum gewesen. Sie bestand ihre Ausbildung mit Bravour und war Jahrgangsbeste. Dank ihrer großartigen sozialen und organisatorischen Fähigkeiten wurde sie schnell zur Schichtleiterin befördert. Weil sie so besonnen war, wurden ihr die Einsätze anvertraut, denen selbst hartgesottene Kollegen aus dem Weg gingen. Die schlimmsten Unfälle, Terroranschläge und Selbstmordfälle: Nina schien nichts aus der Ruhe zu bringen. Mit 35 ist sie jetzt länger krankgeschrieben. Der Gedanke, wieder arbeiten zu gehen, löst bei ihr Panikattacken aus. Derzeit verlässt sie kaum noch das Haus und erstarrt oft – selbst während einer Komödie oder einem scheinbar belanglosen Gespräch …

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Das sind zwar nur fiktive Geschichten, aber vielleicht haben Sie schon einmal etwas Vergleichbares erlebt oder ähnliche Zusammenbrüche in Ihrer Familie, Ihrem Arbeitsumfeld oder Ihrem Freundeskreis beobachtet.

Bens Geschichte zeigt, wie eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (oder kPTBS) aus der Kindheit einen Menschen plötzlich einholen und Karrieren, Beziehungen und den Alltag durchwirbeln kann. Im Gegensatz dazu veranschaulicht Ninas Geschichte die Verfassung von ansonsten resilienten Personen, die in sehr herausfordernden Umgebungen wie dem Rettungsdienst oder als Soldaten tätig sind. Unabhängig davon, ob Menschen an PTBS oder kPTBS leiden, weisen sie oft ähnliche Symptome auf – nicht nur Albträume, Flashbacks, Kämpfe (genauer gesagt, eher die unbewusste Reinszenierung gewalttätiger Erlebnisse), Erstarrung und Panikattacken, sondern auch Sucht und Isolation.

Im Gegensatz dazu wird eine Traumareaktion wie Unterwürfigkeit, d. h. übermäßige Gefälligkeit, um Konflikte zu vermeiden oder sich zu schützen, eher mit kPTBS in Verbindung gebracht. Tatsächlich sind Kinder (oder Frauen), die mit häuslicher Gewalt leben, möglicherweise nicht in der Lage, sich zu wehren oder zu fliehen. Typischerweise leiden kPTBS-Opfer auch unter einer stärkeren emotionalen Dysregulation, einer negativen Selbstwahrnehmung sowie Vertrauens- und Beziehungsproblemen.

Wie kommt es also dazu, dass Menschen so traumatisiert werden, dass sie nicht mehr funktionieren können? Und was zeichnet ein Trauma und die unterschiedlichen Reaktionen darauf aus?

Trauma auf Rezept

Damit ein Trauma als solches erkannt wird, muss ein Mensch zunächst mit einem traumatischen Stressor konfrontiert werden. Wie wir es in unserem vorherigen Artikel festgestellt haben, kann ein Trauma je nach Beruf, Umfeld, Geschlecht, Alter oder kulturellem und ethnischem Hintergrund in unterschiedlichen Formen und auf unterschiedliche Weise auftreten. So kann ein Trauma etwa Polizisten, Opfer von Unfällen, Krankheiten und allen möglichen Katastrophen treffen, ganz zu schweigen von allen Menschen, die verschiedenen Formen aktiver oder passiver Gewalt ausgesetzt sind (man denke z. B. an Vernachlässigung oder Verlassenwerden).

Trauma wirkt sich jedoch auf Menschen (sehr) unterschiedlich aus. Einige Menschen überwinden akute Traumata schnell ohne professionelle Hilfe. Andere benötigen möglicherweise ad-hoc Unterstützung, um sich über einige Wochen oder Monate hinweg zu erholen, während wieder andere die Auswirkungen eines Traumas über Jahrzehnte oder sogar ein ganzes Leben hinweg ertragen müssen – sei es mit oder ohne therapeutische Unterstützung.

Mann in Therapie, der Sich am Kopf fasst

Damit ein Trauma tiefere Spuren hinterlässt, die zu einer Diagnose von PTBS (posttraumatischer Belastungsstörung) oder anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen führen, gibt es mindestens vier Faktoren, die seine Auswirkungen letztlich prägen:

· Die Intensität, Häufigkeit und/oder Überlagerung der Traumata

Besonders schockierende Ereignisse, wie das Miterleben eines Massakers, sich wiederholenden Traumata, wie körperlicher Missbrauch oder Inzest, oder das Bewältigen vielschichtiger Traumata, wie extreme Armut, Vernachlässigung und emotionaler Missbrauch, machen eine Person verständlicherweise anfälliger für (langfristige) gesundheitliche Folgen.

· Persönlichkeit, Identität und Erziehung

Wie ein Trauma erlebt und verarbeitet wird, wird jedoch maßgeblich davon beeinflusst, wie eine Person sich selbst sieht, welche Persönlichkeitsmerkmale und Werte sie hat und wie sie mit ihrer inneren und äußeren Welt umgeht. So kann etwa eine Person, die unter harten Bedingungen aufgewachsen ist, aber ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt hat, mehr Resilienz zeigen, wenn sie mit einer herausfordernden Erfahrung konfrontiert wird, als jemand, der sehr behütet aufgewachsen ist.

· Persönliche und umweltbezogene Ressourcen

Die Bewältigung von Traumata ist jedoch nicht nur eine Frage der Persönlichkeit, sondern auch der Ressourcen. Von zentraler Bedeutung für die Überwindung von Traumata ist ein unterstützendes sozioökonomisches Netzwerk. Stark traumatisierte Menschen haben bessere Chancen auf Genesung, wenn sie auf die Liebe und das Verständnis ihres Umfeldes sowie praktische Hilfe zählen können.

· Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit spezialisierter Behandlungen

Für viele Menschen ist trotz scheinbar optimaler Voraussetzungen für eine Genesung letztlich traumaspezialisierte Unterstützung der einzige Weg zur Heilung. Diese kann viele Formen annehmen und wird später noch näher erläutert. Diese fachkundige Hilfe muss, insbesondere wenn sie langfristig erforderlich ist, nicht nur zugänglich, sondern auch bezahlbar sein.

Leben mit Trauma

Das Leben mit nicht aufgearbeiteten Traumata kann also extrem herausfordernd sein. „Nicht aufgearbeitet“ ist hier der Schlüsselbegriff, da ein Trauma nur überwunden werden kann, wenn es die notwendige Aufmerksamkeit zur richtigen Zeit und in der richtigen Form erhält.

Wie jedoch aus den oben geschilderten Geschichten hervorgeht, kann ein Trauma auftreten – vielleicht sogar wiederholt – und dann ruhen, bis es durch innere oder äußere Umstände reaktiviert wird. Ein Auslöser kann die bloße Wiederholung eines traumatisierenden Ereignisses sein, oder er kann durch etwas scheinbar Unbedeutendes wieder aufwachen, wie eine flüchtige Vision, eine beiläufige Äußerung, eine Emotion oder ein Gefühl, das an vergangenes Unbehagen erinnert. Es kann sich unter dem Deckmantel einer (Autoimmun-)Krankheit, schwerwiegender Beziehungsprobleme oder einer beruflichen Krise zeigen. Es kann einer schweren Sucht oder der Unfähigkeit, mit der physischen oder zwischenmenschlichen Umgebung zurechtzukommen, zugrunde liegen.

Young woman hiding in a giant cardboard box

Sobald „der Geist aus der Flasche ist“, kann das Leben zeitweilig vor sich hin dümpeln – insbesondere, wenn Betroffene Vermeidungsstrategien oder emotionale Betäubungsmaßnahmen (z. B. Suchtverhalten) ergreifen. Andere geraten möglicherweise in einen Zustand der Dissoziation, der mit (Teil-)Amnesie einhergeht. Alternativ kann die Hölle richtig ausbrechen – sei es in Form der vier traumatischen Ur-Reaktionen (d. h. Kampf, Flucht, Erstarrung, Unterwerfung) oder langfristigerer Symptome wie Hypervigilanz, Stimmungsschwankungen, chronischer Antriebslosigkeit oder kognitive Herausforderungen.

Es sind diese aufdringlichen Anzeichen, die einen Menschen in der Regel dazu veranlassen, eine Fachperson aufzusuchen, die dann eine PTBS oder andere Erkrankungen wie Depressionen diagnostiziert – möglicherweise zusammen mit scheinbar „rein körperlichen“ Beschwerden wie koronaren oder gastroenterologischen Beeinträchtigungen.

Wie wir jedoch in unserem vorherigen Beitrag festgestellt haben, wurde Trauma bis vor Kurzem nicht immer ernst genommen oder völlig missverstanden. Selbst heute wird Trauma nicht systematisch anerkannt, insbesondere wenn es Menschen auf stillere oder verstecktere Weise betrifft, wie bei kPTBS. Ferner ist sogenannte traumainformierte Versorgung selbst in Ländern mit besser funktionierenden Gesundheitssystemen noch weit davon entfernt, verfügbar und/oder bezahlbar zu sein.

Trauma-Biologie: ein Minenfeld?

Noch beunruhigender ist jedoch die Tatsache, dass sich Trauma-Spezialisten über einige der grundlegendsten Wirkmechanismen der Trauma-Biologie weiterhin nicht einig sind – und damit auch über angemessene Behandlungen.

Wie kommt das?

Eine der offensichtlichsten Erklärungen ist zweifellos die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen spezifischen Trauma-Stressoren und individueller Biologie – ähnlich wie bei unseren bisherigen Beobachtungen zu Stress. Tatsächlich kann ein Trauma den Körper auf vielen Ebenen beeinflussen, von denen viele bisher nicht abschließend erforscht sind. In dieser Hinsicht ist die Trauma-Forschung noch relativ jung.

Was wir jedoch wissen, ist, dass ein Trauma nicht „nur im Kopf“ stattfindet, wie früher angenommen. Ja, ein Trauma wirkt sich auf das zentrale Nervensystem (d. h. verschiedene Bereiche des Gehirns, vom Hirnstamm bis zu den Bereichen, die für das Gedächtnis, die Kognition usw. zuständig sind) aus, aber auch auf die gesamten neurologischen und endokrinologischen Systeme.

Es spiegelt somit zunächst die Biologie des Stresses wider. In einer Stresssituation ist der Stressor jedoch in der Regel weniger intensiv, und der Körper ist in der Lage, sein homöostatisches Gleichgewicht schnell wiederzuerlangen, um normal zu funktionieren.

Damit ein Trauma eine dauerhafte psychophysiologische Prägung hinterlässt, muss die Biologie eines Menschen überfordert sein. Die Traumaforscherin und Therapeutin Aimie Apigian schlägt einen hilfreichen Rahmen vor, um diese Überforderung anhand von zwei Szenarien zu verstehen: „zu viel, zu schnell“ und/oder „zu wenig, zu lange“.

Blurred vision of multi-laned traffic in the night

„Zu viel, zu schnell“ bezieht sich auf die Intensität der Traumaexposition wie bei der klassischen PTBS. Wenn jemand plötzlich mit etwas zu Stressvollem konfrontiert wird, fühlt sich der Körper bombardiert und kann die ersten 4F-Reaktionen (Kampf, Flucht, Erstarrung, Unterwerfung) nicht überwinden. Die Rückkehr zur Homöostase ist somit beeinträchtigt, was zu einer Form des biologischen Zusammenbruchs oder Abschaltens führt, um Energie zu konservieren.

Das Szenario „zu wenig über einen zu langen Zeitraum“ trifft eher auf kPTBS zu, da es die Überforderung als Mangel an Ressourcen über einen längeren Zeitraum hervorhebt. Beispielsweise ist ein Kind, das mit einem psychisch kranken oder süchtigen Elternteil aufwächst, jahrelang chronischer Unsicherheit und/oder Gewalt ausgesetzt und muss gleichzeitig Verantwortungen tragen, die seine Kapazitäten übersteigen. Leider können diese Szenarien miteinander verflochten sein, da Kinder beide Formen der Überforderung gleichzeitig erleben können.

Ebenso können sich die biologischen Folgen überschneiden. Sie können jedoch auch mannigfaltig auftreten und unterschiedliche fachliche Hilfe erfordern – was erklärt, warum Traumata so schwierig zu erkennen und zu diagnostizieren sind.

Über die Auswirkungen hinaus, die Traumata mit Stress gemeinsam haben, haben Forscher herausgefunden, dass Traumata dauerhafte strukturelle und funktionelle Auswirkungen auf das Gehirn haben können. Sie können chronisch erhöhte Cortisolwerte auslösen und andere Hormone und Neurotransmitter beeinflussen – was zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen führen kann. Die dadurch ausgelöste erhöhte Entzündungsreaktion kann auch ein Faktor für das Auftreten von Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Beschwerden, Krebs sowie anderen Autoimmunerkrankungen sein. Schließlich hinterlässt ein Trauma auch Spuren im Kern unserer Zellen, d. h. in unserer epigenetischen Veranlagung, wodurch seine Auswirkungen an weitere Generationen weitergegeben werden können – mehr dazu jedoch im nächsten Artikel.

Wege zur Genesung

Da Traumata Menschen auf so viele verschiedene Weisen beeinflussen können, liegt es auf der Hand, dass es keine Einheitslösung für ihre Behandlung geben kann. Der plausibelste und hilfreichste Ansatz scheint daher ein multidisziplinäres Vorgehen zu sein. Dieser sollte alle Ebenen der einverleibten Erfahrung, die durch ein Trauma beeinflusst werden können, von der neurologischen und endokrinologischen hin zu epigenetischen und psychiatrischen Ebene, berücksichtigen. Auch sollten andere relevante medizinische Fachgebiete einbezogen werden. Im Bereich der Traumabehandlung ist diese Vision jedoch noch alles andere als selbstverständlich.

Da man glaubte, dass Traumata vorwiegend das Gehirn betreffen, blieb dieses Leiden lange Zeit der Psychiatrie und teilweise auch der Neurologie vorbehalten. Leider führte diese historische Entwicklung zu tiefen Spaltungen in der Traumabehandlung hinsichtlich der Frage, was eine angemessene und wissenschaftlich fundierte Therapie ausmacht.

Derzeit stützen sich evidenzbasierte Behandlungsmethoden für Traumata in der Regel stark auf psychologische und psychiatrische Aspekte. Die wichtigsten (anerkannten) Behandlungsmethoden aus dem angloamerikanischen Raum sind die sogenannten Trauma-Informed Cognitive Behavioural Therapy (TI-CBT) sowie verwandte Interventionen wie Prolonged Exposure Therapy (PE), Cognitive Processing Therapy (CPT) oder Internal Family Systems (IFS). Bei schwerwiegenden PTBS werden häufig parallel dazu Medikamente verabreicht, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (englisch: SSRIs), damit Patienten überhaupt an Therapieangeboten teilnehmen können.

Gruppentherapie- oder Selbsthilfe-Sitzung in einer Turnhalle

Die Hauptkritik an diesen Arten von „Gesprächstherapien“ ist, dass sie je nach Durchführung unwirksam sein oder Patienten erneut traumatisieren können. Noch entscheidender ist jedoch der Vorwurf, dass diese Therapien oft die stärker einverleibten Symptome von Traumata – insbesondere deren Auswirkungen auf die neurologischen und endokrinologischen Systemeübersehen oder vernachlässigen.

Was Medikamente angeht, so können sie zwar zunächst ausgleichend wirken, sind jedoch nicht immer wirksam und können schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen.

Daher sind in den vergangenen Jahren viele alternative Traumata-Theorien und Therapien entstanden, die ganzheitlichere oder körperzentrierte Ansätze bieten sollen, aber aufgrund fehlender Studien, fragwürdiger Studiendesigns oder nicht überzeugender Ergebnisse (noch) nicht „evidenzbasierten Kriterien“ genügen.

Zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten Pionieren gehören Stephen Porges und seine „Polyvagaltheorie“ (1994), die eine Reihe von körperbasierten Traumainterventionen inspiriert hat, aber von den etablierten Neurowissenschaften nicht anerkannt wird. „Somatic Experiencing“ (SE), entwickelt von Peter Levine in den 1970ern, sowie „Tension & Trauma Release Exercises“ (TRE), kreiert von David Berceli Ende der 1990er Jahre, basieren teilweise auf der Polyvagaltheorie. Obwohl sie immer beliebter werden, mangelt es ihnen nach wie vor an schlüssigen empirischen Belegen.

In seinem bahnbrechenden Buch „The Body Keeps the Score“ (2014) schlug der Traumaexperte Bessel van de Kolk eine Reihe von alternativen Methoden vor, die er als besonders hilfreich empfand. Dies war im Rahmen seines Bestrebens, stark traumatisierten Patienten – von Vietnamkriegsveteranen hin zu Kindern, die unter einer von ihm als Entwicklungstraumastörung (ETS; eine Diagnose, die sich zu einer kPTBS im Erwachsenenalter entwickeln kann) bezeichneten Störung leiden – eine wirksamere Unterstützung zu bieten.

Zu den von ihm befürworteten alternativen Ansätzen gehören Neurofeedback, Yoga, Theater, angelsächsische Psychomotor Therapy sowie Eye Movement Desensitisation and Reprocessing (EMDR). Bislang wurde nur EMDR, das 1987 von einer anderen Pionierin, der Psychologin Francine Shapiro, entwickelt wurde, relativ breit angelegten randomisierten kontrollierten Studien unterzogen. Dies hat EMDR nicht nur eine breitere Glaubwürdigkeit verschafft, sondern auch eine Empfehlung als Zweitlinientherapie bei PTBS. Ihre Wirkungsweise ist jedoch noch kaum verstanden.

In seinem jüngsten Buch „The Myth of Normal: Trauma, Illness & Healing in a Toxic Culture“ (2022) bespricht der medizinische „Rockstar“ Gabor Maté nicht nur viele der obengenannten Therapien, sondern weist auch auf das Potenzial (älterer) psychedelischer Ansätze hin. Tatsächlich gewinnt die Verabreichung von beispielsweise Ayahuasca oder MDMA in kontrollierten Kontexten sowohl in der Forschung als auch in der Praxis rasant an Bedeutung.

Auch wenn die therapeutischen Angebote noch immer einem etwas chaotischen Buffet ähneln, bieten sie spannende Perspektiven für eine ganzheitlichere und individuellere Traumabehandlung. Sie werden sich auch zweifellos weiterentwickeln, wenn sich in den nächsten Jahren neue wissenschaftliche Erkenntnisse herauskristallisieren.

Dennoch wäre es nicht sinnvoller, bevor man in Traumatherapien investiert, in die Traumaprävention zu investieren? Und wenn Traumata nicht vollständig verhindert werden können, lassen sich dann Formen der Resilienz fördern? Und schließlich: Welche potenziellen Auswirkungen haben Traumata auf (gesundes) Altern?

Einige spannende Antworten finden Sie in unserer nächsten Folge!

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Quellen und weiterführende Literatur

Center for Substance Abuse Treatment (US). Trauma-Informed Care in Behavioral Health Services. Rockville (MD): Substance Abuse and Mental Health Services Administration (US); 2014. (Treatment Improvement Protocol (TIP) Series, No. 57.) Chapter 3, Understanding the Impact of Trauma. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK207191/  

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Maté, Gabor.The Myth of Normal: Trauma, Illness & Healing in a Toxic Culture. Toronto: Vermilion (Penguin Random House Canada), 2022.

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BEITRAG VON
Dr. Gwen Bingle
epiAge Deutschland Content & Customer Relations
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